Vorlesung und Übung Geschichte und Theorie der Architektur II
Geschichte und Theorie der Architektur II
Prof. Dr. Matthias Schirren / Dr.-Ing. Elke Sohn

   

 

Kraftwerk Fenne, Jules Dubois, 1926

Wohngebäude für französische Offiziere,
Wittelbachstraße Ludwigshafen 1919-20

Wohngebäude für französische Unteroffiziere
Saarlandstraße Ludwigshafen 1920-25

Wohnanlage für französische Offiziere
Fischerstraße Kaiserslatuern 1919-24

Trainkaserne Neustadt, um 1920

 


 

 

 

 

Wahlfach Geschichte und Theorie der Architektur
Hauptstudium Architektur
SS 2012, Seminar Di 9.45 – 11.15 Uhr, Übung Di 11.30-13.00 Uhr
Raum 1-124, Beginn 17.04.2012

 

Bonjour Rheinland-Pfalz!
Deutsch-französische Interferenzen in der Architektur von 1918 bis 1930

Das Seminar befasst sich mit den zwischen 1918 und 1930 entstandenen Bauwerken im heutigen Rheinland-Pfalz und geht damit den architektonischen Spuren einer besonderen und einmaligen historischen Phase nach:
als das Bauwesen in weiten Teilen unter französischem Einfluss stand. Dabei stellt sich die Frage, ob dies Auswirkungen auf die Gestalt und formalen Qualitäten der Bauwerke hatte. Ein auch für das heutige Entwerfen virulentes Spannungsfeld zwischen Architektur und Politik wird am historischen Beispiel reflektiert werden: Haben sich die deutschen Architekten an ihren französischen Auftraggebern und deren damaliger Baukultur orientiert und, andersherum, die französischen Architekten bei ihren Projekten an der hiesigen? Waren mit der jeweiligen Architektur Stellungnahmen für oder gegen die Politik der französischen Besatzer  intendiert?

Geschichtlich verbürgt ist, dass die besetzten Gebiete nicht nur von Frankreich, sondern auch von Bayern und dem Deutschen Reich mit einer Politik umfangreicher kultureller Angebote umworben wurden, um sie für sich zu gewinnen. Um die Entwicklung der Architektur zu verstehen, ist demnach auch ein Blick auf die kulturpolitische Geschichte und die Prozesse des Kulturtransfers zu werfen.
Wie wurden sie dort rezipiert? Welche Vorstellung einer ‚eigenen‘ Kultur wurden zum Beispiel in der breiten Heimatbewegung der Pfalz entwickelt, in der auch Pfälzer Architekten engagiert waren? Und in welchem Verhältnis standen diese Vorstellungen zum weiteren Umfeld der Architektur der Moderne in Deutschland/ Frankreich in den 1920er und 1930ern?

Das zu untersuchende Gebiet ergibt sich aus der politischen Geschichte in der Nachfolge des Ersten Weltkrieges: Die Friedenskonditionen beinhalteten für das Gebiet der Pfalz und des Rheinlandes die Besetzung sämtlicher linksrheinischer Territorien nebst dreier rechts-rheinischer Brückenköpfe von 30 km Durchmesser um die Städte Köln, Koblenz und Mainz-Wiesbaden durch alliierte und amerikanische Truppen 1918. Die Räumung dieser Gebiete wurde in Aussicht gestellt, insofern das Deutsche Reich die Reparationszahlungen erfüllen würde.
Die Pfalz und der Mainzer Brückenkopf hatten zunächst die französische Besatzungszone gebildet.
Aber bereits Anfang 1919 hatte Frankreich damit begonnen, das französische Gebiet nach Norden hin auszudehnen.  Zu 1924 erweiterte sich das französisch besetzte Gebiet einvernehmlich durch die Übernahme britischer und amerikanischer Zonen, in denen auch die Städte Bonn und Koblenz liegen.

Durch diesen Umstand und die sukzessive Räumung der besetzten Gebiete ab 1926 blieben die Städte im Rheinland und in der Pfalz unterschiedlich lange unter französischer Regentschaft, so zum Beispiel Bonn nur sehr kurz von 1924 bis 1926, Kaiserslautern dagegen von 1918 bis 1930 mit am längsten. Teile der westlichen Pfalz wurden 1920 dem Saargebiet zugeordnet, das einen besonderen Status erhielt:
Es wurde von einer Kommission des Völkerbundes unter Vorsitz Frankreichs bis 1935 regiert.

Das Seminar legt den Schwerpunkt der Untersuchung auf  jene Städte und Regionen, die über lange Zeit unter französischem Einfluss standen.

Seminarprogramm

Um den Fragen nachzugehen, werden Kleingruppen gebildet, die Bauwerke in unterschiedlichen Städten und Regionen während der französischen Besatzung und Verwaltung untersuchen, zu den geschichtlichen sowie kulturpolitischen Hintergründen recherchieren und die Wechselspiele mit den Strömungen in der Architektur Deutschlands/Frankreichs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufzeigen.
Dazu gehen die Kleingruppen intern zunächst arbeitsteilig vor: Für die ersten Seminartreffen werden aus jeder Kleingruppe Delegierte in eine Geschichtswerkstatt gesendet. Diese Geschichtswerkstatt bereitet die Seminartreffen vor, die sich mit den historischen und politischen Hintergründen der französischen Besetzung beschäftigen. Parallel hierzu wird von den anderen Mitgliedern der Kleingruppen die Recherche in Literatur, Archiven etc. zu den Bauwerken und dem weiteren Umfeld der Architektur der Moderne gestartet und diese in Form von Referaten ab Ende Mai im Seminar vorgestellt.
Die Ergebnisse aus den historischen, architekturtheoretischen und baugeschichtlichen Analysen werden von jeder Kleingruppe in Form je einer Zeitung zusammengefasst, wie sie zur Zeit der französischen Besatzung von deutscher oder französischer Seite hätte erscheinen können. Hier können neben den Hauptartikeln zu den Bauwerken zum Beispiel Schlaglichter zu politischen Ereignissen, Kommentare von Zeitgenossen, Interviews mit fiktiven Bewohnern etc. einfließen.

 

Seminarleistungen

Jeder Studierende ist entweder an einem mündlichen Referat zur Geschichte (Geschichtswerkstatt) oder zu Bauwerken einer Stadt bzw. einer Region beteiligt. Die gemeinsame Ausarbeitung in Text und Bild erfolgt in den Kleingruppen, die gemeinsam abzugebende Arbeit besteht in einer Zeitung, die am 10.07. vorgestellt wird. Die Gesamtnote setzt sich aus der Bewertung dieser Zeitung (1/2 der Gesamtnote), der Bewertung der Literaturrecherche der Kleingruppen am 22.05. (1/4 der Gesamtnote) und den mündlichen Referaten (1/4 der Gesamtnote) zusammen.

 

Terminplan

Di 17.04.

Einführung in das Seminar
Einführung in das Seminarthema, Vorstellung des Seminarprogramms
Bildung der Arbeitsgruppen und Vergabe der Referatsthemen

Übung: Geschichtswerkstatt, Vorbereitung Seminartreffen Geschichte Besatzung

Di 24.04.

[keine Lehrveranstaltung/ All-School-Charrette]

Di 01.05.

[keine Lehrveranstaltung/ 1. Mai]

Di 08.05.

Interferenzen Deutschland-Frankreich aktuell
Französische Architekten in Deutschland – Deutsche Architekten in Frankreich

Di 15.05.

Vorgeschichte der deutsch-französischen Interferenzen in der Architektur
Baugeschichtliche Entwicklung in Rheinland, Saar und Pfalz im 19. Jahrhundert/
deutsch-französische Erinnerungsorte in Architektur und Städtebau vor 1918:
Referat aus der Geschichtswerkstatt

Übung: Geschichtswerkstatt, Vorbereitung Seminartreffen Pfälzer Identität

Di 22.05.

Die Suche nach einer Pfälzer Identität
Von der Heimatbewegung über die Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Kunst bis zur Werkbundgruppe Pfalz: Referat aus der Geschichtswerkstatt

Übung: Geschichtswerkstatt, Vorbereitung Seminartreffen Kulturtransfers

Di 29.05.

Kulturtransfers
Kulturpolitik von Frankreich, Bayern und dem Deutschen Reich in den besetzten Gebieten und Rezeption: Referat aus der Geschichtswerkstatt

Übung: Zwischentestat Literaturrecherche zu den Bauwerken/ Vorbereitung Referate Kaiserslautern

Di 05.06.

Bauwerke in Kaiserslautern
Wohnanlagen für französische Offiziere und Unteroffiziere, Architekt Hermann Hussong, 1919-22. Wechselspiele Expressionismus – (Neo)Barock – Avantgardistische Moderne
(hier und an den folgenden Terminen: Referate aus den zuständigen Kleingruppen)

Übung: Vorbereitung Referate Mainz und Trier

Di 12.06.

Bauwerke in Mainz und Trier
Siedlung Lennebergplatz, Mainz-Gonsenheim, 1921-24,  im Auftrag der Reichsvermögensverwaltung/ Baugruppe Franz-Ludwig-Straße Trier, Ernst Brand, 1921. Wechselspiele traditionalistische und avantgardistische Moderne

Übung: Vorbereitung Referate Militärische Anlagen

Di 19.06.

Militärische Anlagen für die französischen Besatzungstruppen
Truppenübungsplatz Ludwigswinkel, Architekten Breith & Schnabel
Infanteriekaserne Ludwigshafen, Architekten Lentz & Kegel
Trainkaserne Neustadt, Architekt Bossert

Übung: Vorbereitung Referate Ludwigshafen und Koblenz

Di 26.06.

Bauwerke in Ludwigshafen und Koblenz
Wohngebäude für französische Offiziere und Unteroffiziere, städtisches Hochbauamt, 1920-25. Wechselspiele (Neo)Klassizismus - Moderne
Wohnanlagen für die französischen Besatzungstruppen, Architekten Gentz & Schlippe, Stähler & Horn 1920-22. Wechselspiele (Neo)Barock - Moderne

Übung: Vorbereitung Referate Saarpfalz

Di 03.07.

Bauprojekte der französischen Grubenverwaltung im Saargebiet
u. a. Kolonie Madenfelderhof. Wechselspiele Traditionalistische Stadtbaukunst - Moderne

Übung: Vorbereitung Abschlusspräsentation

Do 10.07.

Abschlusspräsentation    Vorstellung der Zeitungen

Di 17.07.

[keine Lehrveranstaltung/ Diplomvorstellungen]